“Du hast ein besseres Ich in Dir!” Zur Normalisierung der Selbstvermessung im digitalen Kapitalismus
“Du hast ein besseres Ich in Dir”, versprach Apple 2018 und bewarb damit nicht nur seine hauseigene, rundum verbesserte Smartwatch. Der Konzern propagierte zugleich eine digitale Lebensform, die jede Bewegung und Regung sensorisch erfasst und überwacht, die stets aktiver, gesünder und produktiver sein will – kurz: eine Lebensform, die Fortschritt und Freiheit an ständige Kontrolle bindet. In ihrem Vortrag diskutieren Anna-Verena Nosthoff und Felix Maschewski die Anziehungskräfte und Wirkmächte von Smartwatches und Fitnesstrackern, sogenannten Wearables, in gesellschaftsphilosophischer Perspektive und gehen dabei u.a. der Frage nach, wie es innerhalb von gut einem Jahrzehnt – das heißt seit dem Manifest der “Quantified-Self”-Bewegung – zu einer beispiellosen Normalisierung digitaler Metrisierungspraxen gekommen ist. Mittlerweile werden tragbare Technologien besonders im Gesundheitsbereich mit neuen therapeutischen Verheißungen aufgeladen, doch gehen mit ihrer steigenden Verbreitung – gerade hinsichtlich der Machtakkumulationen im digitalen Kapitalismus – auch neue Ein- und Übersichten, neue Souveränitäten einher. Schließlich wird klar: Die systematische Expansion der immer ‚smarteren‘ Begleiter, die immer genauere Vermessung von Körper und Geist durch Plattformunternehmen ist nicht nur mit dem Versprechen einer verbesserten Gesundheitsfürsorge und technologisch-posthumanen Spekulationen, sondern mit politischen Risiken und sozialen Nebenwirkungen verbunden.
ANNA-VERENA NOSTHOFF ist Philosophin, politische Theoretikerin, Ko-Direktorin des Data Politics Lab der HU Berlin und Research Associate am Institute of Network Cultures (Amsterdam). Nosthoff lehrt am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien und forscht v.a. zur Kybernetisierung des Politischen und den politischen Konsequenzen der Digitalisierung. Zuletzt erschien ihr Buch “Die Gesellschaft der Wearables. Digitale Verführung und soziale Kontrolle” (gem. mit Felix Maschewski) im Berliner Nicolai Verlag. Für ihre wissenschaftlichen Arbeiten wurde sie u.a. mit dem Surveillance-Studies-Preis und dem Essaypreis des Forschungsinstituts für Philosophie in Hannover ausgezeichnet. Als Publizistin schreibt sie regelmäßig u.a. für die FAS, NZZ, die Republik und Deutschlandfunk Kultur.
FELIX MASCHEWSKI ist Literatur‑, Kultur- und Wirtschaftswissenschaftler, Research Associate am Institute of Network Cultures (Amsterdam) und lehrte zuletzt an der FU Berlin. Neben seiner akademischen Forschung zum digitalen bzw. kybernetischen Kapitalismus und seinen poetologischen wie politökonomischen Ausprägungen, schreibt er regelmäßig Essays für u.a. die FAS/FAZ, NZZ, Republik, Wirtschaftswoche oder das Philosophie Magazin. 2019 erschien von ihm “Die Gesellschaft der Wearables” (zus. mit Anna-Verena Nosthoff) im Berliner Nicolai Verlag, 2021 wurde er für den Aufsatz “Der plattformökonomische Infrastrukturwandel der Öffentlichkeit: Facebook und Cambridge Analytica revisited” (zus. mit Anna-Verena Nosthoff) mit dem Surveillance-Studies-Preis ausgezeichnet. Zudem war er zuletzt Mitherausgeber des Behemoth Special Issue “Futures of Critique. Theorising Governmentality and Power in the Digital Age” (2021).
Die Veranstaltung wird moderiert von LEA WATZINGER, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingen zu Themen der Privatheit, Digitalisierung und Demokratie forscht. Sie hat an der Universität Passau in Philosophie promoviert.
Diese Gesprächsreihe findet digital statt.
Anmeldung unter info@humanistische-akademie-bb.de
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